Architektur im Kopf

von Matthias Walther

Die Bauten waren Anlass, sich näher mit den Plänen auseinander zu setzen.
Vor allem bei Neuschwansteins ist ein Bereich der Anlage von besonderem Interesse: Die Kapelle mit dem darüber aufsteigenden Bergfried, der nicht mehr verwirklicht wurde. Er wäre inhaltlich wie baulich der Höhepunkt dieses Schlossbaus geworden.

Dargestellt wurde die unmittelbar vor dem Tode Ludwigs II. geplante Variante mit dem erwähnten Hauptturm über der Schlosskapelle. Die Verbindung von Kapelle und Burgturm ist ein besonderes Motiv des mittelalterlichen Burgenbaus, der vor allem den kaiserlichen Bauten vorbehalten war. Man findet solche  seltenen Anlagen bei der Stauferburg in Trifels, der Nürnberger Burg oder der Burg Karlstein bei Prag.
Auch in Neuschwanstein verkörpert der Kapellenturm sinnbildlich die Vereinigung heiliger und königlicher Würde dieser Gralsburg.

Von Anbeginn sollte er der höchste Turm der ohnehin schon vieltürmigen Anlage werden und somit als steingewordener Traum mit der dramatischen Berglandschaft korrespondieren.
Dargestellt sind verschiedene Varianten der Planung, die im komplizierten Bauverlauf erwogen wurden.
Um die Funktion als wesentliches Gegengewicht zum Wohnbau zu erfüllen, entschied man sich in den späteren Alternativentwürfen, den ursprünglich 65 Meter hoch geplanten Kapellenturm zu erhöhen, da er ja als Krönung der Gesamtanlage dienen musste. So geriet bei einem Entwurf Georg Dollmanns von 1880 der Bergfried mitsamt der Kapelle gestreckter und auch bedeutend höher, wobei die Baugestalt früherer Entwürfe weitgehend beibehalten wurde. In den Quellen werden nun 90 Meter Bauhöhe angegeben. Parallel hierzu scheinen sich auch die Entwürfe eines niedrigeren Bergfrieds bis zur vorläufigen Baueinstellung 1886 gehalten zu haben, insbesondere weil er in seinen eigenen Proportionen harmonischer war und vom Schlosshof aus besser wirkte als die erhöhte Variante.

In jedem Falle hätte erst der mächtige Bergfried Neuschwanstein zur Gralsburg gemacht. Nur er hätte das notwendige Gegengewicht zum Palas und den anderen Türmen ergeben;  nur er hätte mit seinem prächtigen Domportal einen würdigen Abschluss des oberen Burghofes gebildet. So bleibt Schloss Neuschwanstein ein vielbewunderter aber ebenso missverständlicher Torso.

Das unweit von Neuschwanstein geplante Schloss Falkenstein bei Pfronten ebenso im Allgäu sollte noch in einigen Darstellungen gezeigt werden. Geplant als allumsichtige Idealburg auf hohen pittoresken Felsvorsprung verkörpert diese Idee alles was den romantischen Burgenbau des 19. Jahrhunderts betrifft. Das Schloss wird hier laut seiner tatsächlichen letztendlichen Planung dargestellt. Der höchst malerische Kernbau wird flankiert von mehreren Türmen, dessen höchster der Bergfried laut letzter Planung Hoffmanns etwa 70 Meter erreicht hätte.