Architektur im Kopf

von Matthias Walther

Stadtbild als Utopie

Ausgangspunkt aller Ideen für “Berlin 2033 – Stadt als Utopie” ist die Stadt, wie sie sich heute darstellt. Dabei werden mehrere gedankliche Ebenen miteinander verbunden:

Einige historische Gebäude, die zerstört wurden, werden als noch existent ausgewiesen wie die Alte Börse, die Reichsbank oder der legendäre Anhalter Bahnhof. Faszinierende Bauten wie der Karstadt Komplex am Hermannplatz gingen tatsächlich bereits den Weg realer Rekonstruktionsvorschläge!

Gewisse historische Gebäude werden darüber hinaus entweder in ihren Entwürfen variiert oder durch geplante Alternativen ersetzt, andere werden vom Ort weg zu einem Neuen transloziert. Der Berliner Dom, die Museumsinsel oder das Forum Fridericianum verändern dabei ihre historisch bekannte Gestalt. Auch die berühmten Königskolonnaden finden sich an einem weit passenderen Ort wieder.

Geplante, nie realisierte Gebäude wie das Museumsufer von Wilhelm Kreis oder das nie errichtete Reichshaus nahe dem heutigen Bundestag erscheinen, als wären sie errichtet.

Unter diese letzte Rubrik fallen auch geplante Bauten der Zukunft, wie sie in jüngerer Vergangenheit projektiert waren oder noch sind, siehe die Hochhäuser nach Kollhoffs Masterplan am Alexanderplatz. Auch diese Objekte obliegen der Idealisierung und Verbesserung durch den Künstler. Selbst das längst wieder errichtete Stadtschloss wird mit dem offenen Hof nach Osten wie es Stephan Braunfels vorschlug dargestellt.

Die Tilgung gewisser Baufehler wie die Hochhäuser auf der Fischerinsel oder des Welthandelszentrums an der Friedrichstraße sowie des neuen misslungenen Hochhauses am Spreedreieck sind freilich ebenso obligatorisch wie die bereits erfolgte Beseitigung des DDR-Außenministeriums oder des Palasts der Republik zugunsten des Schlosses oder der Bauakademie.

Anstelle der verlorenen und vernichteten Altstädte werden zwischen Schloss und Alexanderplatz oder auf der Fischerinsel die verlorene Altstadt einer kritischen Rekonstruktion unterzogen mit wieder errichteten Leitbauten und angepassten Neubauten.

Aus dieser Melange unterschiedlicher Ebenen der Vorkriegszeit aber auch des Zustandes nach der Wende entsteht im Geiste ein neues ideales Berlin. Idealer als es jemals gewesen ist, aber auch idealer als es jemals noch sein könnte. Es handelt sich um eine Stadt, die es nie gab, bestehend aus Altem, Neuem, Verbesserten und nie Realisiertem. In Berlin triumphiert das Prinzip der produktiven Zerstörung. Berlin eine Stadt, die niemals aufhört, immerfort zu werden. Auf sehr komprimierten Raum von Berlin-Mitte sind das leitende Motiv und Motto der spannende Gegensatz, nicht aber jedoch der Widerspruch. Spannung und Harmonie anstelle totalen Bruchs.

Im Folgenden werden Entwicklungsreihen wichtiger Bauten vorgestellt – von der Vergangenheit über die Gegenwart zur Zukunft. Diese werden um weitere Ideenprojekte zur Gestaltung für ein Berlin-Mitte der Zukunft ergänzt. Als Grundlage der entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhänge dient auch der Ordner Berlin auf dieser Webseite.

Am Ende befindet sich ein Übersichtsplan zur besseren Orientierung.

Auf die Planung des Forums mit Bauten der Kirche, des Königs, des Militärs und der Kultur wurde eingehend bereits verwiesen. Vorrausgehend werden einige Alternativen zu der sehr langwierigen Planung zum Dom gezeigt. So werden Pläne von Friedrich August Stüler sowie Bernhard Kolscher auf ihre Wirkung im Stadtbild untersucht. Das letztendlich Kuppelprojekt war folgerichtig, obwohl es in den künstlerischen Formen und Proportionen vergriffen und dekadent wirkt. Dennoch kann der Bau Raschdorffs deutlich verbessert werden. Die Umrisslinie des Kuppeltambours wird erhöht und durch Giebel und Bögen besser rhythmisiert. Anstelle der Kuppeln an der Fassade erhält der Bau hohe Türme, was der Fassade einen aufstrebenden Charakter verleiht. Die Orientierung erfolgt nicht beliebig einem der ersten barocken Domprojekte Berlins: dem Entwurf Jean de Bodts.

Das Schloss entsteht nicht als getreue Nachahmung des Vorkriegszustandes, sondern folgerichtig und dem möglich gewordenen Wiederaufbau nach der Wende 1990 in erneuerter Disposition. So entstehen die Fassaden neu, aber an Stelle des geschlossenen Ostflügels wandert seine Innenhoffassade um 180 Grad gedreht an die Westseite, womit der Ostflügel entfällt. Somit ergibt sich ein offener Ehrenhof, der beim Palazzo Schlüters nicht beabsichtigt war, aber dem klassischen barocken Schlossbau entgegenkommt. Der Schlossbau wird nun auch symbolisch nach Osten -der Berliner Altstadt- geöffnet und bietet einen Ausblick bis zum Fernsehturm. Auch entgegengesetzt kann man nun vom umgebauten Platz des Marx-Engels Forum über die Spree hinweg Richtung Schlosshof und Kuppel sehen, ein Motiv, das durch die Aufstellung der translozierten Königskolonnaden in Achse des auf der gegenüberliegenden Flussseite sich öffnenden Schlosshofes verstärkt wird. Der Grundgedanke des offenen Schlosses geht auf Stephan Braunfels zurück.

Der angrenzende Schlossplatz wird die Kurfürstenbrücke symmetrisch und mittig aufnehmend deutlich vergrößert, indem der Marstall -wie schon in Broebes großartigem Barockstich von 1700 angedeutet- zurückverlegt wird. Der neuen Baulinie folgend erhält der Marstall ein baugleiches Pendant im Westen, wodurch die Breite Straße nun von gleichartigen Bauten ähnlich der Pariser Place de la Concorde flankiert wird. In der Mitte der nun freiwerdenden Westseite Richtung Werderschen Markt erstreckt sich neben der Bauakademie Schinkels ein großes Passagenkaufhaus, den Schlosspassagen. Es folgt einem Plan von Friedrich Hitzig für das Areal des verschwundenen Kaufhauses „Rotes Schloss“ an der alten Stechbahn. Originalgetreu könnte auch das Kaiserdenkmal gegenüber dem Schlossportal wieder entstehen.

Die heutige zentrifugal auseinanderstrebende Bebauung mit voneinander unabhängig wirkenden Museen könnte sowohl durch Innenhöfe, antikisch angenäherte Architektur oder komplexe Vernetzung eine verbesserte Einheit bilden. Im Sinne einer weihevollen Stätte der Wissenschaft und Kunst, wie sie sich Friedrich Wilhelm IV. wünschte muss insbesondere der eiserne Strang der Stadtbahn abgemildert werden. Das Projekt von Sehring berücksichtigt bereits diese Situation und schafft es in bewusster Verdichtung einen antiken Forumcharakter zu verstärken. Es entstünde eine Akropolis der Kunst.

Das ehemalige Klinikufer entlang der Spree mit dem reizenden Monbijoupark wird einer Bebauung mit weiteren Museen unterzogen. Flankiert werden diese Bauten nach Vorlagen von Wilhelm Kreis durch eine babylonische Torsituation gegenüber dem Bodemuseum und einem etwa 85 Meter hohen Turm an einem weiteren Museumsbau, der die sich verlierende baulich kaum akzentuierte Friedrichsstraße flankiert. Eine moderne Erweiterung des Museumsquartiers ist auch auf der Südseite denkbar. Im ehemaligen Monbijoupark entsteht die reizvolle Villa Kamecke neu, ein feiner Bau des Andreas Schlüters, der nun von einem Park umgeben kleine Flügel erhält und auf dessen Achse das alte Tor von Schloss Monbijou neu ausgerichtet wird.

Am benachbarten Bahnhof Friedrichsstraße entsteht ein dreieckiges gestaffeltes Hochgebäude als Reflexion des bekannten Wettbewerbes zum Hochhausbau am Spreedreieck von 1922 nach dem preisgekrönten Projekt von Johannes Klass.

Durch das geöffnete Schloss mit dem Hof wie ihn Stephan Braunfels vorsah, bildet sich eine zur Berliner Altstadt über die Spree hinweg verbesserte Situation. Erstmals treten das Schloss und die Altstadt, die freilich kaum mehr vorhanden ist und nun von Fernsehturm dominiert wird in eine spannende Resonanz. Dem offenen Schlosshof der Spree gegenüber liegt nun am Marx-Engels Forum ein Stadtplatz mit neubarocken Häusern und den hierher translozierten Königskolonnaden. Des weiteren erfolgt eine moderne aber historisch akzentuierte Bebauung um die Marienkirche, die Dominante des Fernsehturms bleibt dabei weiterhin beherrschendes Motiv. Vom Lustgarten aus gesehen nähert er sich der Wirkung des aufgegebenen Schlossturms -wenngleich in radikal modernen Formen – an. Um einen Platz des heute völlig verloren wirkenden Roten Rathauses anzulegen, wird dort eine sich trapezförmig zuspitzende Arkadenarchitektur in Art der Florentiner Uffizien angelegt. Tatsächlich könnten in den mit dem Rathaus korrespondierenden Backsteinhäusern auch Büros der städtischen Verwaltung einziehen. Die Umgebung des Fernsehturms, der ja die Berliner Kuppelarchitektur um das Motiv der Kugel bereichert und abschließt bleibt weitgehend unverändert, auch um den DDR-Charakter der Scheibenhochhäuser und des Bahnhofs Alexanderplatz zu verstärken.

Dieser Platz entstand in seiner Größe und Art erst lange nach der Kriegszerstörung. Wenige DDR-Bauten haben hohen Rang, darunter das Centrum Warenhaus oder das Haus des Lehrers, die erhalten bleiben. Zeitlos schön wirken die Behrens Bauten als Torsituation eines nun von Hochhäusern gesäumten Platz der Menschen. Nach dem Generalentwurf von Kollhoff sollen im Umfeld des Platzes etwa zehn bis zwölf Hochhäuser entstehen und sich über geschlossener Blockrandbebauung erheben. Sie alle sind als Cluster gedacht in bewussten Bezug zur Dominante des Fernsehturms und in ebenso gezielter würdevoller Unterordnung dazu sind sie nicht höher als 150 bis 170 Meter. Ihre Architektur fällt vielseitig aus und bildet ein Kaleidoskop Berliner Architekturgeschichte. Vom Expressionismus der zwanziger Jahre über das Vorbild der USA bis zum Neoklassizismus der Stalin-Ära aber auch der Nachwendearchitekturen wird hier auf harmonische Art vereint, was stilistisch eigentlich 100 Jahre Geschichte verkörpert. Mit diesem geplanten Cluster und keinen weiteren und höheren Hochhäusern erhält Berlin mit dem zentralen Fernsehturm eine der schönsten zeitgenössischen Skylines. Damit unterscheidet sich die Stadt wohltuend von nur investorengesteuerten beliebigen Zufallsstädtebau anderer Metropolen. Die Vorlagen sind Darstellungen Yadegar Asisis entnommen.

Das Projekt zur Ausgestaltung der Inselspitze könnte durch einen Staatlichen wie auch städtischen Bau erfolgen. Diese Baumaßnahme stünde immer im Verhältnis zur Neuplanung der Mühlendammbrücke sowie des nahen Stadthauses am Molkenmarkt. 

Freilich wäre das Stadthaus selbst am Kopfe der Insel am logischsten. In Verbindung mit den symmetrischen Straßenbrücken und einem vorgelagerten Platz mit Zierkolonnade, Brunnen und Treppen zum Fluss würde der Baukörper des ernsten Stadthauses einen reizvollen Bezug bilden. Insbesondere der erhöhte und aufwendiger gestaltete Turm mit seiner Säulenarchitektur, durchbrochenen Geschossen und dem steinernen Helm mit Laterne und Fortuna erzeugt einen deutlich historischen Nachklang des Münzturmprojektes am Schloss. Des Weiteren könnte das Grundstück am Molkenmarkt anderweitig Verwendung finden, zum Beispiel für eine großzügige Stadtbibliothek in Art des Expressionismus eines Hans Poelzigs. Dazu würde auch das in den dreißiger Jahren eigentlich für das Vorfeld des Stadthauses erdachte Städtische Forum vorzüglich passen. 

Geht man aber den Gang der Geschichte besteht das Neue Stadthaus in unmittelbarer Nähe des Roten Rathauses am Molkenmarkt. Um den Bezug zur nahen Fischerinsel herzustellen, bleiben wir bei dem Stadtplatzprojekt, das über eine kurze Stichstraße über das Palais Schwerin hin zur Spree offen gestaltet ist. An der Inselspitze, die bereits im Groß- Berlin Wettbewerb von 1910 gedanklich mit einer Kuppelhalle und schlanken Ziertürmen zu einem monumentalen Forum der Arbeit ausgestaltet wurde, könnte tatsächlich ein jedoch kleinerer Kuppelbau als Stadtbibliothek entstehen. Die Kolonnade mit dem Vorplatz wird beibehalten und bildet mit dem konkav zurückschwingenden Bibliotheksbau einen kreisrunden Vorplatz. Die Kuppel erhält eine an Lustschlösser erinnernde Dacharchitektur. Dieser Kulturbau korrespondiert gut mit dem Kuppelbau des Bodemuseums am anderen Ende der Stadtinsel. Das nun am Molkenmarkt verbleibende Stadthaus erhält den veränderten Turm dennoch, der auch ohne direkten Bezug zum Fluss immerhin in den Straßen sehr imposant wirkt und sogar von weitem von der östlichen Spree aus zu sehen ist. Dieses Ensemble erinnert entfernt an den römischen Kapitolsplatz mit den Flügelbauten Michelangelos.

Nicht zu vergessen ist auch der in modernen Formen neu entstehende nun 110 Meter hohe Turm der St. Petri Kirche, der im Weichbild der Stadt eine originelle Höhendominante auf der Fischerinsel bildet. Dieser Kirchenbau ist in neogotischen Formen im Sinne Hans Kollhoffs sowie Auguste Perrets Betonbauten erdacht. Im Hintergrund der Nachtansicht fällt links noch das etwa 120 Meter hohe Wohnhochhaus in Wabenform auf, es steht am Spittelmarkt als Auftakt der Leipziger Hochhausstraße. 

Am Mühlendamm befand sich eine der traditionsreichen Brücken Berlins, Ursprünglich waren dort barocke Arkaden nach Johann Arnold Nering gestaltet. 

Der im 19 Jhdt. sehr komplex umgestalteten alte Mühlendamm mit seiner historisierenden romantischen Architektur in burgähnlichen Formen weicht einer einzigen breiteren Straßenbrücke über zwei bis drei Bögen. Die Gestalt der Brücke nähert sich mit den einseitigen leicht zugespitzten Arkadenhäusern wieder dem Zustand des Barocks an. Die nördliche Seite bleibt weitgehend unbebaut. Die technisch notwendige Schleuse kann jederzeit in das Projekt integriert werden.

Forum Fridericianum

Das von Friedrich dem Großen anvisierte Viertel sollte durch einen riesigen Platz mit neuem Palast entstehen und neben dem Schloss ein politisch-kulturelles Zentrum bilden. Daraus wurde der eher bescheidene und uneinheitliche heutige Platz mit der Alten Oper und der geschwungenen Fassade der Bibliothek nach Vorlage der Wiener Hofburg. Die schräggestellte Hedwigs Kirche, eigentlich als Pantheon aller Religionen gedacht bildet den Abschluss des Ensembles. Einst fein abgewogene Proportionen des Platzes wurden durch das Bühnenhaus der Oper und nachträgliche Aufstockungen der Bankgebäude nachhaltig beeinträchtigt. Das Opernhaus wurde erfreulicherweise zu frühen DDR Zeiten behutsam den Ursprung annähernd zurückgebaut. Der südliche Blickpunkt des Platzes könnte an Stelle des Bankhauses durch eine flache Treppenanlage mit erhöhter Exedra gekrönt werden, ein Plan der auf die Entwürfe für die Museumsinsel von Stüler zurückgreift. Ein Reiterstandbild Friedrich Wilhelms III. steht mittig. Durch die niedrigere abgeflachte Bauweise ergeben sich vom in romantischem Sinne teilbepflanzten Platz über verschiedene Ebenen interessante Ausblicke auf das Forum und den benachbarten Gendarmenmarkt.

Es handelt sich um den politischsten Ort Berlins. Dort war ab 1874 das deutsche Parlament geplant, 1921 auch das größte Hochhaus der Republik, später die Große Halle der NS-Herrschaft von 320 Metern Höhe mitsamt Hitler Führerpalast. Dreißig Jahre verlief die Mauer in diesem nun verwaisten Randbereich Westberlins.

Meine Idee geht aus von einem Republikanischen Forum, das die schon immer anvisierte Dreierkonstellation aufgreift: Als Ausgangspunkt der umgebaute Reichstag, demgegenüber die einst geplante Große Oper, hier nach dem beeindruckenden Plan des Münchners Martin Dülfer steht und als Krönung des Ensembles das ab 1920 von Otto Kohtz erwünschte Reichshaus in der Mitte des Spreebogens: Ein gigantischer, 200 Meter hoher Hochhausbau in Formen eines babylonischen Zikkurats. Eigentlich handelt es sich um zwei sich kreuzende abgestufte Scheibenbauten, die fast sakralen Charakter erreichen, wenngleich dies lediglich als Bürovereinigung sämtlicher Ministerien gedacht war. Hier materialisiert sich am ehesten auch ein architektonischer Mythos von Berlin-Babylon. Dieses Gebäude ließe sich auch heute aus dem Grunde der Bundesverwaltung errichten, allerdings in Verbindung mit dem Spreebogen Schultes. Anstelle des großen Opernhauses ist heutzutage die Demokratische Arena projektiert. Eine Kulmination aller Ideen zeigt die Flugperspektive nach Vorlage einer Skizze des Grafikers Yadegar Asisi.

Ein weiterer Blickfang wäre als Hochhaus am Bahnhof das von Mies van der Rohe bereits 1922 für das Spreedreieck am Bahnhof Friedrichsstraße entworfene, etwa 90 Meter hohe Gläserne Haus. Es könnte sowohl vor dem Bahnhof anstelle eines Uhrturms entstehen oder hinter dem Bahnhof am Humboldthafen. Der Neue Hauptbahnhof bekäme dann einen eigenständigen modernen Uhrturm.

Als Abrundung der Betrachtungen wird noch der bekannte Platz im Westen angesehen mit dem symbolisch so wirksamen Wahrzeichen des zerstörten Turms der Kaiser-Wilhelm- Gedächtniskirche. Um die Dominante der alten und neuen Türme der Kirche entstehen mehrere Hochhäuser, die sich unter anderem an Ideen Mies van der Rohes und Walter Gropius zu orientieren scheinen, hinzu kommen weitere Gebäude wie das möglicherweise zukünftig höchste Hochhaus der Stadt, dem Hardenberg am Bahnhof Zoo mit über 250 Metern. Auch der geplante zweite Turm für das Europa Center würde entstehen. Die Formen könnten sowohl klassisch als auch sehr modern ausfallen, hier die klassischen Varianten. Durch die Qualität der Architekturen sowie den ausgewählten Standorten kommen die Hochhäuser der Kirche nicht in die Quere. Die Dominanz des neuromanischen Ruinenturmes wird eher noch bestärkt. Als Grundlage dient wieder eine Collage Yadegar Asisis.

Nahe der bereits legendären Oberbaumbrücke im Süden der Spree entsteht eine attraktive Hochhausbebauung mit Wohnhäusern. In dieser Ansicht werden aktuelle Planungen variiert und anstelle des Treptowers ein dem Berliner Backsteincharakter der industriellen Umgebung angepasster Entwurf in Art der Architektur Aldo Rossis eingefügt.

Ein abschließender Überblick über den Potsdamer Platz darf im modernen Berlin nicht fehlen. Ausgangspunkt ist vorerst der am Rande der Stadtinsel gelegene Spittelmarkt, der seit den Kriegszerstörungen und der Umstrukturierung durch die DDR-Baubehörden zu einem extrem modernistischen Ort und Auftakt der monumentalen Scheibenhochhäuser entlang der Leipziger Straße wurde. Als Blickpunkt erscheint ein Rundhochhaus aus einer Planung für den Leninplatz, außerdem entsteht die ursprünglich nahe gelegene, aber abgebrochene Gaststätte Ahornblatt versetzt an neuem Ort wieder, ein expressiv-organischer Bau der 60iger Jahre und ein gelungenes Beispiel der frühen DDR-Architektur.

Nun begegnen wir dem Leipziger Platz und dem Potsdamer Platz. Dieser spannende Ort ist nach dem Masterplan Kollhoffs und mit den Bauten des Erstsiegers Renzo Piano weitgehend umgesetzt worden. Dennoch nimmt man das Sony Center mit monotoner Glasfassade als Fremdkörper wahr. Mit einer auf die zwanziger Jahre zurückgehenden Idee der Gebrüder Luckhardt für ein Rundhaus an der Platzmitte wird das Sony Center ersetzt mit einem 125 Meter Turmhaus. Über dem Kernzylinder des fast hundert Jahre alten Plans wächst ein schlankerer U-förmiger Bau mit abgerundeter Ecke empor, der sich mit Aluminium und getöntem Glas von seiner Umgebung in differenzierter Weise abhebt. Auch am nahen Askanischen Platz, wo die Halle des Anhalter Bahnhofs als attraktiver Kernbau eines neues Verkehrsmuseum wieder entstehen sollte, käme ein weiteres Hochhaus mit roter Terracottaverkleidung zum Zuge, das mit seinen Rundbogenarkaden die Architektur des Anhalter Bahnhofs spielerisch aufgreift.

Ein weiterer Blick schweift auf das im entfernten Westen liegende Messegelände, das von Martin Wagner und Erwin Poelzig um 1930 in großzügiger Weise mit Funktionsbauten und Ziergebäuden mitsamt einem künstlichen See neu geplant wurde. Anstelle des nur ansatzweise umgesetzten spröden Entwurfs der dreißiger Jahre entsteht vor unserem Auge der große Sportpalast Poelzigs nach Vorbild der Breslauer Jahrhunderthalle von 1913, allerdings in Berlin um 40% vergrößert. Ein zweiter Funkturm könnte auch entstehen, was in der Ansicht angedeutet ist.

Der letzte Ort eines möglichen Hochhausclusters bildet der an der Ost-West Achse liegende Ernst-Reuter-Platz, dem ehemaligen „Knie“ in Charlottenburg. Hochhäuser sollten dort eine Torsituation bilden und das qualitätvolle Bestandgebäude des Telefunkenhauses aufnehmen. Im Hintergrund sehen wir das Messegelände Poelzigs mit dem verdoppelten Funkturm. Dem aufmerksamen Beobachter der hier aufgezeigten Hochhäuser ist sicher aufgefallen, dass in diesen Visionen kein Zufallsstädtebau von Investoren stattfindet, sondern je nach Standort, Geschichte und Vorplanungen, die mitunter bis in die zwanziger Jahre zurückreichen, Hochhäuser mit ihrer stadtbildprägenden Ausstrahlung bewusst erdacht sind und optimal in das jeweilige Umfeld passen sollen.

Viktoriapark – Ein Traum Schinkels

Als abschließende romantische Vision erscheint ein bislang wenig bekannter Idealplan Karl Friedrich Schinkels von 1818 zu einem Denkmal der Befreiungskriege gegen Napoleon. Nach dem Scheitern des großen Projektes eines Nationaldoms am Leipziger Platz erwog er einen reduzierten Entwurf mit dem gotischen Zentralkuppelbau auf dem Kreuzberg zu errichten. Letztendlich wurde aus dem ambitionierten Projekt, das in diese Farbansichten des modernen Berlins übernommen wurde, nur das bekannte eiserne Kreuzbergdenkmal in Form eines kleinen gotischen Spitzturmes.

Als Fata Morgana einer besseren Stadt mag diese Vision beispielhaft stehen und abschließend lassen wir einen Panoramablick von der Siegessäule über das umgebaute Berlin schweifen und erkennen im Tagtraum Türme und Kuppeln einer imaginären Stadt unterschiedlicher Utopien, die es wohl niemals geben wird. Es geht hier um Wirkung, um den Aspekt des Szenografischen einer Architektur, zwischen dem Italienträumen eines Friedrich Wilhelms IV., dem Antikendrang zu einer Akropolis des Staates bis zu Fritz Langs Metropolis und den in Stein gegossenen Ideologien von Diktaturen.

Berlin erscheint hier als Ganzes. Eine widersprüchliche Stadt, die niemals aufhört zu werden. Mögen die Visionen auch Ansporn sein über Stadtgestalt und gebaute Lebensräume nachzudenken. Einige hier aufgezeigte Projekte könnten sogar noch verwirklicht werden.

Hier werden im Stadtgrundriss wesentliche Veränderungen hervorgehoben:

– Schwarz: Bestand (bedeutende öffentliche Bauten)
– Grau: Bestand rekonstruiert (vor 1942)
– Lila: Bestand abgeändert oder transloziert
– Rosa: Entwürfe nach historischem Vorbild (alte Pläne)
– Grün: Neubauten inclusive rekonstruierte Leitbauten
– Gelb: Hochhäuser am Alexanderplatz
– Blau: Spree