Architektur im Kopf

von Matthias Walther

Kathedrale von Rio de Janeiro um 1939. Zu den ambitioniertesten Projekten großer Kirchenbauten der Moderne gehört zweifellos das Vorhaben eine sehr mächtige katholische Kathedrale in Rio de Janeiro zu errichten. Entwürfe des Tirolers Clemens Holzmeister forcieren einen Bauplatz an der Landzunge südlich des Stadtteils Flamengo. Auf einer leichten Anhöhe und als Abschluss einer vier Kilometer langen Avenida stünde der Riesenbau an der Stadtbucht gegenüber dem Zuckerhut. Einer frühen Skizze Holzmeisters folgt die hier gezeigte Ausführung in einer interpretierten Neugotik: Ein sechzehneckiger Zentralbau von 70 Meter Durchmesser wird über abgestufte Paraboldächer in einen schlanken belichteten Kegel bis zu einer Höhe von 170 Metern geführt. Der über großen Strebepfeilern gestützte Kernbau wird äußerlich in schlanken steil geneigten Kuppelrippen fortgeführt, die in transparenter Form den Blick auf die Dachkonstruktion und den Kegelturm frei lassen. Zwei schlanke Glockentürme wiederholen das Motiv hochgereckter Spitzkegel. Der ausgesprochen gotische Charakter wird durch steile Proportionen und einzelne gotische Motive wie Spitzbögen noch deutlich verstärkt. 

Holzmeister hätte in diesem Bau sein Prinzip des christozentrischen Manifests gestaltet, bei der die Gemeinde sich um einen Mittelaltar zentriert. Die Kathedrale ist im Grundriss nur vom Hochaltar aus zu denken, der in der Mitte der Kirche steht und nicht hierarchisch an deren Ende. Darunter befindet sich eine mächtige Krypta. Die Ausführung des etwa 20.000 Menschen fassenden Gesamtbaus wäre in strahlend weißem Sichtbeton gedacht, die Dächer und Kegel weitgehend in Kupfer ausgeführt. Die beiden 100 Meter hohen Glockentürme sind optional zu verstehen, sie erscheinen daher nur in perspektivischen Ansichten.