Auch eine gelobte Kunststadt wie Dresden ist nicht frei davon, vermeintlich schlechtere Projekte an Stelle genialer oder zumindest weit besserer Ideen ausgeführt zu haben.
Barocke Stadt und das Forum Sempers
Zu den barocken Planungen muss vorerst Licht ins Dunkel gebracht werden durch Erläuterungen, die selbst Kundigen nicht immer geläufig sind. So ist der Zwinger einerseits als beachtenswertes selbstständiges Kunstwerk von einmaligem Wert zu betrachten, ein umbauter Platz der Feste und der Muse. Andererseits kann man den Zwinger nur im Zusammenhang einer gigantischen neuen Schlossanlage sehen, dessen Vorhof er sein sollte. Das Schloss hätte sich samt riesiger Gartenanlagen Richtung Westen erstreckt, anstelle der heutigen Semper-Oper und der bis heute amorphen Flächen Richtung Packhof.
Ausgeführt wurde letztendlich nur der Zwinger zum Selbstzweck als Lustgebäude der besonderen Klasse, lediglich die Elbeseite wurde nur notdürftig behandelt und später von Semper mit dem Galeriebau geschlossen. Insbesondere das Projekt zum Zwingerforum und der Anschluss an den Theaterplatz zur Elbe hin, werden hier durchgreifend korrigiert. Der Zwinger könnte im ersten Idealplan statt des Semper Galeriebaus ein barockes westliches Pendant zum östlichen Kronentor bekommen. Ein mit Wasserkaskaden reich geschmückter großartiger Brunnenturm fungiert mit der barocken Galerie als westlicher Abschluss und Verbindungstor zum Semperschen Theaterplatz. Dieser nun einheitliche Zwingerabschluss lässt durch seine tiefere Bauform schöne Aus- und Einblicke aus dem Hof dieser Festarchitektur auf die Hofkirche und das Residenzschloss zu. Das neue Museum Gottfried Sempers ist ganz nach seiner eigenen Vorliebe als großzügiger Monumentalbau mit Kuppel auf die Stallwiese in der Dresdener Neustadt ausgeführt; es bleibt beim Idealplan, ein Gedankenausflug in die Sphären jener Architektur, die leider nicht gebaut wurde, aber eine weitaus großzügigere Stadtplatzabfolge ergeben hätte, als mit dem nun eher trennenden als vermittelnden Galeriebau am Zwinger.
Dennoch könnte auch die ausgeführte Planung deutlich verbessert werden: Das völlig unpassende Schauspielhaus, das die Wirkung des Kronentors beeinträchtigt, wird ganz wo anders, etwa zum Ring transferiert, des Weiteren wird der Sempersche Galeriebau beibehalten und mit einer reizvollen, leicht wirkenden Zierkuppel mit Kegeldach bereichert. Der Theaterplatz wird zur Elbe hin offen gelassen – ohne Italienisches Dörfchen – und erhält stattdessen eine großzügige Treppenanlage hin zum Elbestrom.
In Anlehnung an die Ideen barocker Planungen könnte diese Freitreppe angelegt werden: mit halbrunden Exedren und sich konvex öffnenden Treppen. Die gewünschten Ausblicke auf das gegenüberliegende Elbufer sind äußerst einladend. Nicht zuletzt das Blockhaus, eines der genialsten Denkmäler des Barocks, könnte die vorgesehene Dachpyramide und den darüber angebrachten Obelisken erhalten und erst somit zum echten Blickfang der Neustadt werden.
Präsentiert wird auch der Plan einer neuen Kirche als Zentralbau in barocken Formen, die unter anderem einen Ersatzbau des Kirchenschiffs der Dreikönigskirche in der Neustadt darstellen könnte. Das Motiv eines Kirchenbaus mit Turm und hoher Kuppel ist in Dresden etwas Neues. Die alte Saalkirche wird als kreuzförmiger Zentralbau mit vier Treppentürmen ausgebildet, die von einer hohen Tambourkuppel überhöht werden. Die Baulinien an den angrenzenden schmalen Gassen der Dreikönigskirche würden hierfür um eine gute Hausbreite zurückgelegt werden müssen. Im gesamten Elbpanorama würde dieser Bau wirken, ähnlich der Venedig vorgelagerten Isola Maggiore mit der gleichnamigen Turm- und Kuppelkirche, die man von der Piazetta am Markusdom aus erblickt.
Museumsviertel an der Elbe und andere Entwürfe der Reformzeit
In Fortsetzung zu Planungen der zwanziger und dreißiger Jahre könnte westlich des Theaterplatzforums – an Stelle des Speicher- und Packhofreviers – ein großangelegtes Museumsufer entlang der Dresdener Zwingerseite entstehen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg erdachten Planer wie Poelzig und andere große Visionen einer Erweiterung mit neuer Brücke und Verlängerung einer Elbterrasse bis ins Ostragehege oder bis auf die Räcknitz Höhen.
Wir widmen uns konkreten Plänen von Paul Andrae und Wilhelm Kreis, die gleich mehrere Ausstellungsbauten umfasste und eine virtuelle Achse über die Elbe weg zum Garten des Japanischen Palais entstehen ließe. In jenem barocken Garten entsteht am westlichen Parterre der mächtige Neptunbrunnen neu. Er wurde aus dem Brühl Marcollini-Gärten hierher transloziert.
Die Phase zwischen 1900 und 1920 gehört zu den bemerkenswertesten Phasen der Stadtplanungen Dresdens, angeführt von Erlwein und später Poelzig. Entstanden ist aus diversen Gründen fast gar nichts davon. So sollen hier nur einige Einzelprojekte betrachtet werden: Der Rathausvorplatz am Ring sollte eine schöne Brunnenanlage erhalten. Gegenüber dem Platz leicht abgesenkt und mit Treppen versehen öffnet sich dieser Schmuckplatz gegenüber der Hauptfront des Neuen Rathauses mit seinem 100 Meter hohen Turm. Am Ring ließen sich weitere kleine Korrekturen durchführen, etwa der bereits erwähnte Bau des Schauspielhauses dort. Ein monumentaler Stadthausbau von Poelzig könnte entstehen als abgetreppter stufenförmiger schwungvoller Hochhausbau; er bildet eine moderne Stadtkrone am vernachlässigten Johannesring und wäre ein Gegengewicht zu den großen Baumassen des unweit entstandenen Neuen Rathauses. Ein Quartier Latin als Studienstadt wird auf den Räcknitz Höhen errichtet, schließt sich somit auch den Bauten der nahen Technischen Universität Dülfers an, deren Hauptbau mit der Treppenkuppel bis heute fehlt.
Alternative Planungen für die Garnisonkirche in der äußeren Neustadt liegen ebenso vor. Der angedachte Bau hätte mit Kuppeln und Türmen einen eindrucksvollen Abschluss der gesamten Neustadt ergeben und die Traditionslinie Dresdener Neubarockkirchen fortgesetzt, auch ließe sich, wie ein anderer Entwurf in romanischen Formen zeigt, eine Dresdener „Sacre Coeur“ erschaffen.