Architektur im Kopf

von Matthias Walther

Bereits seit über tausend Jahren ist der Burgberg in Meissen bebaut mit einem Dom sowie einer herrschaftlichen Wohnresidenz, womit, ähnlich wie beim Hradschin in Prag oder dem Wawel in Krakau die Verbindung zwischen weltlicher Herrschaft durch Gottesgnadentum, sowie der religiösen Geistlichkeit auch baulich eine Vereinigung fand.

Der Dom in Meissen ist an Stelle eines romanischen Vorgängerbaus im Stil der Gotik neu entstanden, und zwar als dreischiffige Hallenkirche mit langem Chor sowie einem nur jeweils einjochig hervor tretenden Querschiff. Im Westen schließt ein zweiter, reichhaltiger spätgotischer Chor vor der Fassade den Bau wiederum ganz in romanischer Tradition der Doppelchoranlagen ab. Das mächtige doppeltürmige Westwerk des Domes wurde tatsächlich erst im späten 19. Jahrhundert durch den Ausbau von Carl Schäfer zur Krönung der Anlage. Allerdings war damals auch die Vollendung der westlichen Turmanlage mit drei Spitzen ernsthaft diskutiert und insbesondere durch C. Gurlitt vertreten worden. So ist in der gezeichneten Wiedergabe eine dreitürmige Anlage nach dem Plan Linnemanns eingefügt. Dem sogenannten Höckrigen Turm, der im Winkel zwischen Querschiff und Chor eingefügt ist, habe ich einen baugleichen Turm, der in Wirklichkeit geplant war, aber niemals vollendet wurde, symmetrisch gegenüber hinzugefügt.

Im Falle der alten sächsischen Residenz der Wettiner, der Albrechtsburg haben wir es mit einem der vorzüglichsten spätgotischen Schlossbauten Europas zu tun. Er markiert den Übergang von der schützenden Burg zum repräsentativ und dekorativ ausgestalteten Schloss. Die prächtigen Schlingrippengewölbe sowie die eigenwilligen Zellengewölbe sind bei einem Residenzbau einzigartig in der europäischen Gotik.

Die Veränderungen am Schloss betreffen nun einerseits die weitere Ausgestaltung der anderen Anlagen im reichen Stil der Albrechtsburg, wie etwa das Kornhaus, die Bauten des Domkapitels und den Bischofspalast mit dem Kreuzgang am Dom. Zinnen, zusätzliche Schmuckerker, sowie große, gotische Dachgauben lassen diese Trakte mitsamt der Albrechtsburg zu einer Einheit verschmelzen. Am Gebäude des Domkapitels wurde ein großer, runder Wohn- und Treppenturm angebaut. Auffällig ist die Erhöhung des mittleren, zweiten Burgtores zu einem hohen Torturm, der die originellen Formen des Marktturmes in Halle aufnimmt. Er markiert wie einst der sogenannte Weiße Turm den Westen der Burganlage.

Die Gesamtanlage aus Burg und Dom in Meissen wird oft als „Wiege Sachsens“ bezeichnet. Tatsächlich wird man den Eindruck kaum los, bei der Ansicht der überaus imposanten Anlage an eine Gralsburg erinnert und in ferne Traumwelten entführt worden zu sein.